Tag 6: Bethlehem

09:00 Uhr. Die Reihen sind gefüllt. Ich verteile zuerst den neuen Kopiensatz (danke Liebe Mitarbeiterin vom Katholischen Pfarramt in Grünstadt). Einige stöhnen: So viel noch! Ich meine:

„ Das sind die Unterlagen, die ich im Oktober und November vorbereitet habe. Und wir machen weiter bis Ende Januar, immer weiter. Wir versuchen so weit wie möglich zu kommen.“
Eine TNin  führt uns durch „Guten Morgen, mein Name…“ . Die Uhrzeit, die Wochentage und Monate werden noch mal durchgekaut.

Um halb zehn kommen noch zwei Männer, die ich nicht kenne, herein. Ich sage zur Gruppe, dass ich keine neuen Teilnehmer mehr will und frage, ob ich sie wegschicken kann. „Bitte helfen Sie mir!“ schicke ich noch nach.  Die Gruppe der TN aus Afghanistan überlegt sehr aufgeregt, dann sagt der englischsprechende TN zu mir: „Its up to you to decide.“

Da fällt mir die Geschichte von Weihnachten und Bethlehem ein und bitte sie Platz zu nehmen. Ich ziehe meine beiden Ohren auseinander und sage: „Gut zuhören“.

Als nächstes üben wir die Familie. Im Kreis ist auch ein achtjähriger Junge. Das macht es einfacher. „SCHW“ wie Schwester oder Geschwister ist schwierig auszusprechen. Und „Eltren“ statt „Eltern“. Dann spiele ich mit dem Jungen und vier TN Familie: Kinder, Eltern und Großeltern. Jeder sollte auf jeden zeigen und sagen was er/sie ist. Da es im Kreis kein Mädchen gibt, bin ich die kleine Schwester und hocke neben dem Jungen. Das finden sie lustig.  Im zweiten Durchgang mit neuen TN fehlt mir eine Großmutter. Ich bitte einen Mann „Großmutter“ zu sein.
Kein Wiederstand: Glück gehabt.

Kurz vor der Pause verteile ich noch einige IHK-Flyer. Dort finde ich das Wort „Zuverlässigkeit“.

Ich zeige auf das Wort und empfehle, den Flyer zuhause in Ruhe zu übersetzen.
Danach frage ich, wer die Buchstabenseiten, die ich verteilt habe, ausgefüllt hat. Meine ganz schwache TNin hat sie nicht dabei. Ein Mann hat das Blatt sehr korrekt abgearbeitet.
Ich lobe ihn -Applaus. Eine junge TNin  zeigt mir ihr Blatt. Es ist nur zur Hälfte vollgeschrieben. Das ist natürlich mein Stichwort. „Dieser Mann war sehr fleißig, sie war weniger fleißig“. Ihr ist es peinlich. Klar. Ich lege noch mal nach: „Normal sind bei uns die Mädchen fleißig und die Jungs etwas weniger“. Sie versteckt ihr Gesicht hinter den beiden Armen auf dem Tisch. Ich höre auf, gehe auf Sie zu und Entschuldige mich so lange, bis sie mir ihr OK gibt. Das dauert nicht lange, ihr Verhalten ist schon sehr „westlich“. Ich hoffe das Wort „fleißig“ ist jetzt in allen Ohren.
Ich will doch vermitteln, dass Deutschland ein Land von fleißigen Menschen ist.

Kurz vor Schluss verteile ich noch ein paar Kinderbücher. Und sage: „Und bitte keine neuen Teilnehmer mehr“. Ich gucke dabei den englischsprechenden TN an. Er reagiert wie ein falsch beschuldigtes Kind: „Ich habe Niemanden gefragt.“
Ich: „Glaube ich Ihnen, aber sie können es übersetzen“ – Entwarnung, er lacht.

Bevor alle weggehen kommen die zwei Männer mit einem „Übersetzer“ auf mich zu und fragen, ob sie nächste Woche Dienstag wiederkommen dürfen. Wenn Sie akzeptieren, dass sie erst mal außerhalb des Kreises werden sitzen müssen, weil mehr als 15 Teilnehmer bei der Individualprobe zu viel Zeit in Anspruch nehmen, sie still und leise sind (den „Übersetzer“ muss ich ständig ermahnen) und nicht stören, können sie natürlich kommen. Ich gebe noch mit: „Wenn Sie Dienstag und Mittwoch kommen, bekommen Sie Mittwoch auch meine Unterlagen.“ Diese Zurückhaltung geht darauf zurück, dass ich meine „Commerzbank“-Mappen mit Unterlagen zu oft an TN gegeben habe, die nur einmal gekommen sind.

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