Tag 2: Lehrer gesucht

9:00 Uhr: Eine TN aus Afghanistan ist da. Sie hat, wie vereinbart, noch zwei Familienmitglieder dabei. Ganz neu ein Pärchen aus Iran, wie die Betreuerin sagt, mit Hochschulabschluss.

Wir beginnen. Dann kommen die zwei Brüder ohne Ehefrau, Mutter und Kinder. Ich frage nach der Ehefrau. Er sagt sie hat Schmerzen. Ich lege ihm nahe, das Deutsch lernen auch für seine Frau wichtig ist. Der Papa vom braven Jungen kommt noch später – alleine.

Weil die Gruppe ziemlich neu ist, beginne ich ganz von vorne. Es fällt auf, dass die zwei junge Männer von gestern, es heute viel besser können. Ich lobe und erkläre den andern; Sehen Sie, am nächsten Tag geht es schon so flott. Sie strahlen.

Beim „ich bin verheiratet – ledig…“ erfahren wir, dass das junge Paar dieses Jahr geheiratet hat. Ich bringe die Worte „Heirat – Hochzeit und Hochzeitsfest in die Runde. Den Neuankömmlingen verrate ich auch noch, was eine werdende Mutter ist. Dem Ehemann gefällt das, glaube ich.

Beim Unterpunkt „ich bin ein Mann  ich bin eine Frau“ und begrüßen wir uns mit „Guten Tag Frau..“ aber „Guten Tag Herr…“. Ich gehe auf einen TN zu und gebe ihm die Hand: „Guten Tag Herr….“ Ich mache das noch einmal, er bleibt sitzen. Ich setze mich und sage: „ Hier in Deutschland, wenn wir uns die Hand geben, stehen wir auf. Hier machen wir das so“. Ich übe noch zwei Mal mit meinem Partner. Beim ersten Mal ist er zu langsam, beim zweiten Mal klappt es. Er bekommt Applaus. Wieder ein Deutsch-Schrittchen weiter.

Buchstabieren. Eine neue TN kann nicht so gut schreiben denke ich – etwas mühsam. Der jüngste Teilnehmer hat wirklich Fortschritt gemacht, sogar Xanthippe klappt schon gut. Ich erwähne die DIN Norm, niemand kennt DIN A4. Ein TN zweifelt, ob das überall in Deutschland gilt. Natürlich, es ist eine DIN: Deutsche Industrie Norm. Und erkläre noch mal, dass Ausländische Namen für alle schwierig sind. Dann telefoniere ich (im Spiel) mit dem Mitarbeiter vom Sozialamt. wie er am Computer sitzt und einen Namen hört, womit er nichts anfangen kann. Seine Mundwinkel sinken. Ich sage: „Soll ich mal Buchstabieren“? Er. „Ja, tun Sie das“. Mundwinkel nach oben und ich buchstabiere: „Dora…“. Meine Botschaft: Wenn Sie das so machen, ist es einfacher für den Mann vom Sozialamt, und wenn es für ihn besser ist, ist das besser für Euch.

Kurz vor der Pause setze ich mich vor dem jungen pfiffigen TN und frage die anderen uns zu helfen, damit er versteht, was ich sage.

Ich trage ihm auf, fünf Freunde zu suchen und jeden Tag eine Stunde lang unsere Unterlagen zu üben. Auch wenn die Aussprache nicht perfekt ist, wichtig ist, dass Sie üben, üben. Und wir treffen uns Mittwochnachmittag und ich korrigiere dann die Aussprache der Gruppe. Er nimmt den Auftrag an. Ich gebe ihm die Hand und erwähne, wenn man sich in diesem Land die Hand gibt, gilt das auch. Er bleibt sitzen. Sein Bruder stößt ihn an: Aufstehen!

Im Haus arbeiten Elektriker, sie haben eine Praktikantin aus Eritrea – ich wusste das. Sie kommen zufällig vorbei um Material zu holen. Ich winke die Praktikantin und bitte sie, sich vorzustellen. Sie ist lieb und macht es. Die anderen hören ihre Sprache. Ich erkläre, dass Sie vielleicht bald Arbeit hat – Hoffnung. Wir verabschieden sie mit einem Applaus. Natürlich ist sie verlegen.

Nach der Stunde fragt der Papa vom braven Jungen, er hat es aufgeschrieben: “Kann ich sagen, Ich bin M…..“? Meine Antwort: ja, das ist auch richtig. Wenn Sie „Meine Name ist…“ sagen, merkt der Beamte vom Sozialamt, dass du einen Deutschkurs belegt hast. Das ist besser für Sie.

Schlagartig blicke ich in zutiefst traurige Augen. Ich fasse ihn an und höre mich ermutigend sagen: “Wir schaffen das“.

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